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Zoom – der Geisterchor im Netz

04.05.2020

Fröhliche Gesichter im virtuellen Raum: Der Sopran des Projektchors Reiat bei der Zoom-Probe. Bild ZVG

Gemeinsames Singen im Chor ist mehr als musikalisches Training und sozial bedeutungsvoller als Instagram und Facebook zusammen – und, so haben ernst zu nehmende Wissenschaftler herausgefunden, sogar gesund! von Vreni Winzeler

Oder etwa doch nicht? Der kleine Bösewicht namens Corona hat – zum Entsetzen aller Chöre – den Gegenbeweis angetreten: Was die Forscher herausgefunden zu haben glauben, scheint derzeit hinfällig. Gemeinsames Singen sei mitnichten gesund, sondern geradezu gemeingefährlich – so tönt es aus Amerika. Das tiefe Einatmen, das gemeinsame Singen und der soziale Kontakt der Chorsängerinnen und Chorsänger – Küsschen hier, Küsschen da – ruiniere die Gesundheit ganzer Chöre. Also aus die Maus. Fertig lustig. Mozart go home.
Doch die Chöre überlisten Corona derzeit mit digitalen Chorproben. Videochat-Apps ermöglichen visuelle Treffen auch grösserer Gruppen im Internet. Die Chorszene experimentiert derzeit mit «Zoom». Diese Software für Videokonferenzen hat aufgrund verschiedener möglicher Audio-Einstellungen Vorteile gegenüber anderen Anwendungen.
Im Internet kann man nun also Leute sehen, die, in Kacheln auf dem Bildschirm angeordnet, Chorstücke zum Besten geben. Hurra! Die Chorszene ist gerettet! Der erste, der einen «Virtual Choir» auf Youtube präsentierte, war der amerikanische Komponist Eric Whitacre. Sein Stück «Lux aurumque» ging 2010 viral (sic!) und begeisterte ein Millionenpublikum. Es wird suggeriert, dass sich da gleichzeitig Dutzende von Sängerinnen und Sängern aus aller Herren Länder ein völkerverbindendes, musikalisches Stelldichein im Internet geben.

Akustischer Blindflug

Doch Vorsicht! Nicht alles, was gut aussieht, klingt auch gut. Der virtuelle Chor ist unmöglich. Diese aufwendigen Produktionen entstehen durch Videos, welche einzeln zu Hause aufgenommen und dann kombiniert werden. Die auf «Zoom» anwesenden Chorsängerinnen und -sänger sehen sich zwar und können sich auch miteinander austauschen – ein nicht zu unterschätzender sozialer Aspekt. Der Chor mutiert aber beim gleichzeitigen Singen zu einer Gruppe von Solisten. Die Teilnehmenden hören nur sich (eigene Stimme im Raum) und den Chorleiter (via Kopfhörer).
Wie also geht online Proben? Die Teilnehmenden nehmen zur vereinbarten Zeit vor dem Computer Platz und werden mit einem Link in den Chat eingeladen. Zum Singen werden alle vom Chorleiter stummgeschaltet. Zu störend sind die Interferenzen und die Verzögerungen durch verschieden schnelle Internetverbindungen. Ausserdem muss der Chorleiter mit Mikrofon und Interface ausgerüstet sein, sonst klingen seine Stimme und sein Klavier wie unverständliche Geräusche aus extraterrestrischen Regionen jenseits der nächsten Milchstrasse. Der Chorleiter singt und spielt also vor, die Teilnehmenden singen mit. Ob seine Sängerinnen und Sänger alles richtig machen, kann der Chorleitende nicht überprüfen. Auch er hört nur sich. Aber er sieht über die Videoschaltung, ob alle dabei sind.

Umstrittener Wert

Man kann jetzt lange über das Wozu, Warum und Wieso philosophieren, sich über die Mängel der Aktion aufregen, Corona verfluchen und den Datenschutz heraufbeschwören. Wichtig ist, dass Chöre mit «Zoom» Kontakt halten und singen können. Technische Details und die richtigen Töne können via «Zoom» alleweil bearbeitet werden. Und manch eine(r) merkt plötzlich, wie schwierig es ist, ohne die Kameradin links oder den Mitsänger hinter sich seine Stimme zu halten. Dadurch könnte sich eine nachhaltige Verbesserung der persönlichen Verantwortung einstellen: Mitschwimmen ist gut, selber singen besser. Bleibt zu hoffen, dass sich in den Köpfen der Chorsängerinnen und -sänger nach der Aufhebung des Lockdowns die Erkenntnis einstellt, dass der unschätzbare Wert gemeinsamen Singens jenseits wissenschaftlicher «Fakten» zu suchen und zu finden ist.

 

SMPV Schaffhausen

Der SMPV Schaffhausen ist eine Sektion des Schweizerischen Musikpädagogischen Verbandes (SMPV), dem professionelle Musikpädagogen angehören können. Der Verband steht für die Vermittlung und die Pflege von Musik. Die Mitglieder des SMPV Schaffhausen geben Privatstunden und unterrichten an der Musikschule SMPV, die der Schaffhauser Sektion angegliedert ist. Anstelle des herkömmlichen Streichquartetts im prunkvollen Konzertsaal bietet der SMPV immer wieder Aussergewöhnliches, zum Beispiel das alljährliche Konzert in der Klo­ster­kir­che St. Katharinental. Neben professionellen Musikern kommen auch die Schüler jedes Jahr zum Zug. An zwei Schülerkonzerten können alle vor grösserem Publikum musizieren – vom jüngsten Anfänger bis zum langjährigen Hobbymusiker. Die Sektion Schaffhausen des SMPV ist mit etwas über 100 Aktiv- und etwa 30 Passivmitgliedern eine der kleineren in der Schweiz. Mitglied kann werden, wer einen pädagogischen Abschluss in Musik an einer Musikhochschule erworben hat, seien dies Instrumentalisten, Sängerinnen, Schulmusiker oder Grundschullehrerinnen.

Als einzige Sektion in der Schweiz führt der SMPV Schaffhausen eine Musikschule, an der seine Mitglieder unterrichten können. Unterrichten bedeutet, den Weg zum Musizieren anzuleiten, dem Schüler diesen zu vermitteln und ihn darauf zu begleiten. Dazu zählt unter anderem:

  • das Instrument oder die Stimme zu «handhaben»
  • das Hören, das Ohr und die Wahrnehmung zu schulen
  • zu lernen, wie sich Musikvorstellung und Bewegungsabläufe speichern, erinnern und abrufen lassen
  • Musik zu improvisieren, zu erfinden
  • die Art und Weise, wie sich die Schülerin mit der Musik und dem Instrument ausserhalb der Musikstunde beschäftigt

Der SMPV ermöglicht persönliche Kontakte. Musik gemeinsam mit anderen an einem Konzert oder beim aktiven Musizieren zu erleben, ist etwas vom Schönsten, was es gibt. Infos: www.smpv-schaffhausen.ch

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