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Kantonale und regionale Krankenkasse: eine gleichwertige Alternative zum heutigen Modell

18.03.2011

Die von den Gesundheitsdepartementen der Kantone Glarus, Appenzell Ausserrhoden, Schaffhausen, St. Gallen und Thurgau in Auftrag gegebene Studie zeigt, dass eine kantona­le oder regionale Krankenkasse ein gleichwertiges Modell zum heutigen System darstellt. Eine flächendeckende Einführung hätte Vorteile in Bezug auf Risikoselektion, konsequenter Einführung von Managed Care Modellen und würde die heutige umfangreiche Administration entschlacken bei den Versicherungen, der niedergelassenen Ärzteschaft wie auch in den Spitälern. Werbekosten und Wechselkosten würden nicht mehr anfallen, was bereits zu einer Einsparung von mindestens 300 Millionen Franken führt. Die KRK ist dann weiterzuverfol­gen, wenn es am (politischen) Willen fehlt, das heutige System klar verbessern zu wollen. Fünf Gesundheitsdepartemente aus der Gesundheitsdirektorenkonferenz Ost (GL/AR/SH/SG/TG nachfolgend vereinfachend GDK-Ost) haben bei der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften in Auftrag gegebene Studie zur Abklärung eines Systems mit kantonalen oder regionalen Krankenkassen (KRK) liegt vor. Das Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie unter der Leitung von Professor Urs Brügger vergleicht das Modell einer KRK mit dem heutigen System, gekennzeichnet durch eine Vielzahl an Krankenkas­sen. Die Studie zeigt auf, dass ein Systemwechsel eine Änderung der rechtlichen Grundla­gen bedingt. Die Bundesverfassung sowie das Krankenversicherungsgesetz (KVG) wären anzupassen, da die Vorteile einer KRK nur bei einer landesweiten Einführung unter Berück­sichtigung der Grundsätze des öffentlichen Interesses und der Verhältnismässigkeit zum Tragen kommen. Die Studie geht nicht näher ein auf die Überführungskosten sowie auf die volkswirtschaftlichen Auswirkungen des Systemswechsels. Die Studie kommt zum Schluss, dass für die zukünftige Prämienentwicklung die entschei­dende Frage ist, welches System besser geeignet ist, die Behandlungskosten zu steuern. In diesem Zusammenhang spielt vor allem die Ausgestaltung von Integrierten Versorgungsmo­dellen (Managed Care) eine Rolle. Welches der beiden Systeme (das heutige oder das der kantonalen regionalen Krankenkassen) in diesem Bereich besser abschneidet, hängt vor allem davon ab, ob der neue Risikoausgleich in der Lage ist, die Risikoselektion entschei­dend zu vermindern. Heute: beschränkter Wettbewerb Das schweizerische System räumt den Versicherten die Möglichkeit ein, die obligatorische Krankenversicherung aus einem vielfältigen Angebot von verschiedenen Kassen zu wählen. Gerne wird dieses System als freier Wettbewerb bezeichnet. Die Studie zeigt, dass besten­falls von einem regulierten Wettbewerb gesprochen werden kann. Die Voraussetzungen für Wettbewerbsbedingungen sind nur partiell erfüllt. Der Krankenversicherungsmarkt wird durch zahlreiche staatliche Vorschriften stark reguliert. Gesetzliche Vorgaben wie ein definierter Grundleistungskatalog oder der Kontrahierungszwang führen dazu, dass sich in der Grund­versicherung der Wettbewerbsgedanke nicht bewährt hat. KRK: gleichwertiges Modell Eine KRK versichert alle Einwohnerinnen und Einwohner eines oder mehrerer Kantone ge­gen das Risiko Krankheit. Die KRK wäre eine selbständig öffentlich-rechtliche Anstalt analog den verschiedenen kantonalen Gebäudeversicherungen. Ein Vorteil dieses Modells ist, dass der Verwaltungsaufwand sicher niedriger ist als beim heutigen Modell. So entstehen keine Kosten für Werbung oder administrativen Aufwand infolge häufiger Versichertenwechsel. Ein anderer wichtiger Vorteil ist, dass eine KRK einen höheren Anreiz hat, sich um chronisch kranke Menschen und kostenintensive Patientinnen und Patienten zu kümmern. Die Mög­lichkeit eines Wechsels resp. der Abschiebung auf andere Krankenkassen entfällt. Die Stu­die attestiert denn auch dem Case Management ein bedeutendes Potential für Effizienz-und damit Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen. Nachteile des KRK-Modells könnten bei der Dienstleistungsqualität auftauchen. Es besteht die Gefahr, dass bei einer KRK die Kun­denbedürfnisse und ?wünsche weniger stark im Fokus stehen als bei einem System mit mehreren Anbietern. Der Kanton ist Aufsichtsbehörde über die KRK und zugleich Kostenträ­ger, Leistungserbringer und Tarifgenehmiger. Hier könnte eine Machtkonzentration entste­hen. Prämien: weiterhin hoher Kostenanstieg zu befürchten
Die Kantone der GDK-Ost sind besorgt über den fortlaufenden Prämienanstieg im Gesund­heitswesen. Ob die Gesundheitskosten mit einem KRK-Modell nachhaltiger und spürbarer eingedämmt werden könnten als mit dem heutigen System, hängt von partiellen Verbesse­rungen im heutigen System ab. Nebst den überflüssig werdenden Werbe-und Wechselkos­ten könnten mit einer KRK ebenfalls Spareffekte durch den Abbau der Bürokratie und eine einheitliche Rechnungsstellung erzielt werden. Diese Einspareffekte sind aktuell schwer be­zifferbar, haben aber durchaus Potential. Die KRK bringt nebst administrativer Vereinfachung jährlich wiederkehrende Einsparungen in der Höhe von mindestens 300 Millionen Franken.

Politische Forderungen
Die GDK-Ost befürchtet weiterhin ein Wachstum der Krankenkassenprämien auf hohem Ni­veau. Die Ostschweiz ist davon besonders betroffen. Die Studie zeigt Wege auf, wie die Effi­zienz im heutigen System ohne grössere Veränderungen verbessert und der Kostenanstieg gebremst werden kann. Die an der Studie beteiligen Kantone der GDK-Ost fordern: 1. Einhaltung und Verstärkung des Gentlement-Agreement betreffend Werbekosten
Die GDK-Ost nimmt mit Befriedigung davon Kenntnis, dass der politische Druck die Kran­kenkassen endlich zu einem Umdenken bewogen hat. Die Kassen sind aber leider nur be­reit, die Telefonwerbung zu verbieten sowie den Maklern eine Obergrenze von 50 Franken pro Abschluss zu bezahlen. Die anderen Werbeausgaben unterliegen nicht dem Verhaltens­kodex. Das von den Kassen bezifferte Potential von Einsparungen in der Höhe von 100 Mio. Franken ist entsprechend als bescheiden zu beurteilen. Die Studie bezeichnet die durch Werbung ausgelöste Wechsel als schlecht, da sie unnötige Kosten verursachen und die So­lidarität zwischen Kranken und Gesunden untergraben.

2. Nachhaltige Verbesserungen im Risikoausgleich
Der Risikoausgleich führt dazu, dass sich Krankenkassen mit hohem finanziellem Aufwand gegenseitig gute Risiken abjagen. Diese Wechsel verursachen dem System unnötige Kosten und erzielen keine nachhaltige Wirkung auf das Prämienwachstum. Ein verbesserter, wirk­samer Risikoausgleich ist dringend notwendig. Die Erkenntnisse der Studie lassen allerdings zweifeln, ob die Anpassungen ausreichen, um die unerwünschte Risikoselektion zu unter­binden. Die GDK-Ost fordert eine griffige wirksame Lösung unter Einbezug von weiteren Kri­terien (bspw. Medikamentebedarf).

3. Verbot von Billigkassen
Billigkassen sind nur auf den ersten Blick ein Vorteil für die Versicherten. Billigkassen haben tiefe Prämien, nicht weil sie günstig arbeiten, sondern gute Risiken mit geringen Ausgaben anziehen. Die Billigkassen versuchen deshalb mit allen Mittel, die Prämien tief zu halten. Ansonsten scheitert dieses Geschäftsmodell. Den Billigkassen muss deshalb besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Das Bundesamt für Gesundheit plant eine verbesserte Aufsicht der Krankenkassen, was jedoch zu einem personellen Mehraufwand in der Verwal­tung führt. Diesen müssen die Versicherten allenfalls über ihre Prämien finanzieren ebenso wie die Wechselkosten. Diese kostentreibenden Ineffizienzen sind nach Ansicht der GDK-Ost unnötig. Die Billigkassen tragen nicht zu einer Kosteneindämmung bei und sind zu ver­bieten.

4. Tarifverhandlungen: kein Basar
Die GDK-Ost ist besorgt, dass der Tarifverbund der Krankenkassen (Tarifsuisse) bröckelt. Der Alleingang von Krankenkassen wie Helsana, KPT oder Sanitas bläht das System büro­kratisch auf. Müssen die Leistungserbringer wie Spitäler mit verschiedenen Kassen Tarif-und Vertragsverhandlungen führen, verursacht das personellen Mehraufwand ? und zwar auf beiden Seiten. Viele Leistungserbringer können aus Praktikabilitätsgründen nicht verschie­dene Tarife vereinbaren. Die Versicherten zahlen letztendlich diesen Zusatzaufwand über höhere Prämien ohne einen entsprechenden Mehrwert zu erhalten. Die Kantone stehen vor Problemen bei der Tarifgenehmigung, indem für das gleiche Spital unter Umständen ver­schiedene Tarifen zulassen müssen.

5. Abkehr vom System kantonaler Reserven
Kantonale kalkulatorische Reserven sind nach Ansicht der GDK-Ost ein Systemfehler. Die Kassen müssen ihre kantonalen Reserven aufstocken, wenn die Zahl ihrer Versicherten steigt. Dieser Aufbau muss mit einer Erhöhung der Prämien finanziert werden. Das kann dazu führen, dass neu eingetretene Versicherte die Kasse wieder verlassen. Die Reserve­vorschriften können unnötige Kassenwechsel auslösen. Bei den kantonalen Reserven han­delt es sich um statische, und nicht versicherungsmathematische Grössen. Die Versicher­tenkollektive einzelner Kassen sind in kleineren Kantonen zu klein, um eine finanztechnische Sicherheit zu erreichen. Deshalb wird eine Sicherstellung von genügenden Reserven auf Betriebsebene gefordert.

6. Pflicht zur flächendeckenden Einführung von Managed Care Modellen
80 Prozent der Nettokosten fallen bei 10 Prozent der Versicherten an. Die Studie ortet hier das grösste Potential für Effizienzsteigerungen und somit Kosteneinsparungen. Managed Care hat zum Ziel, Angebot und Nachfrage über finanzielle Anreize aufeinander abzustim­men. Insbesondere die Betreuung von chronisch kranken Personen im Rahmen von Case Management senkt die Kosten, verbessert den Ablauf des Behandlungsprozesses und baut Doppelspurigkeiten ab.. Die GDK-Ost bedauert ausserordentlich, dass das eidgenössische Parlament den Nutzen einer flächendeckende und obligatorische Einführung von Managed Care in Frage stellt und nicht vorantreibt. Fazit: Die 5 Mitglieder der GDK-Ost beobachten die Entwicklung im Gesundheitswesen weiterhin aufmerksam. Die Umsetzung der 6 politischen Forderungen führt zweifelsohne zu nachhalti­gen Einsparungen im Gesundheitswesen. Dies ist im Interesse der Versicherten sowie der Kantone, welche mit über 7 Milliarden Franken an die obligatorische Krankenpflegeversiche­rung sowie den Beiträgen über die individuelle Prämienverbilligung einen erheblichen Teil der Kosten im Gesundheitswesen mitfinanzieren. Die GDK-Ost befürchtet, dass die wichti­gen Akteure im Gesundheitswesen weiterhin primär ihre eigenen Interessen verfolgen und eine integrale Sichtweise des Gesamtwohls vernachlässigen. Sollten die geforderten Ver­besserungen nicht in absehbarer Zeit wirksam werden, behalten sich die an der Studie betei­ligten GDK-Ost Kantone vor, auf die Forderung nach Einführung einer KRK zurückzukom­men.
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