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Es kommt mehr zurück, als man gibt

03.09.2020

Hansueli Klopfenstein freut sich mit Wael (r.) über dessen Eidgenössisches Berufsattest als Bäcker-Konditor-Confiseur. Bild Rolf Fehlmann

Wer sich freiwillig engagiert, gibt dafür einen Teil seiner Freizeit her, so die landläufige Meinung. Hansueli Klop­fen­stein ist jedoch überzeugt, dass er weitaus mehr zurückbekommt, als er einsetzt. Von Estefania Zingg, Integres

Schon seit Langem widmet Hansueli Klop­fen­stein seine Freizeit ehrenamtlich diversen Vereinen. Er übernimmt administrative Aufgaben für die Hülfsgesellschaft, die Lungenliga, die Pakistanschule und weitere. Als er zur Zeit der grossen Fluchtbewegungen in Pension ging, klopfte er beim kantonalen In­te­gra­tions­dele­gier­ten an, um zu erfahren, ob er geflüchteten Menschen behilflich sein könne. So begann die Zusammenarbeit mit der Freiwilligenkoordination des Hauses der Kulturen.

Auch mal eine Weidlingsfahrt
Hansueli Klopfenstein engagiert sich vielseitig und geniesst es, anderen Freude zu bereiten. Fünf junge Menschen im Alter zwischen 21 und 34 Jahren dürfen auf seine Unterstützung zählen. Wir haben das Glück, einen davon kennenzulernen. Wael, der gerade das Eidgenössische Berufsattest (EBA) als Bäcker-Konditor-Confiseur erworben hat, zeigt uns stolz seine schriftliche Vertiefungsarbeit «Neu in der Schweiz», die er mit Hilfe seines Mentors verfasst hat. In dieser Fotoreportage zeigt er, wie er und seine Frau ihr Leben hier in der Schweiz gestalten. Bei dieser Begleitung handelt es sich um ein klassisches Mentorat, bei dem sich Hansueli Klop­fen­stein einmal in der Woche mit Wael trifft, um Deutsch zu lernen und Aufgaben der Schule zu klären. Aber nicht nur Deutschlernen steht auf dem Programm, auch eine Weidlingsfahrt auf dem Rhein kann Wael eine Schaffhauser Tradition näherbringen.
Unser engagierter Gast hat einiges zu erzählen. Begeistert zeigt er uns ein Foto, das Jawad geschossen hat. Jawad ist ein kunstinteressierter junger Mann aus Afghanistan. «Fotografieren ist sein Steckenpferd», meint Hansueli Klop­fen­stein. «Er hat die Fähigkeit, Szenen optimal einzufangen, und so gelingen ihm immer wieder eindrückliche Bilder.» Zusammen haben sie viel erlebt. Ihr erstes Treffen war ein Besuch an der Hochschule Luzern, Abteilung Design und Kunst. Klop­fen­stein wurde kurzfristig angefragt, ob er Jawad zu einem Kurs an der Hochschule in Luzern begleiten könne, da dieser sich nicht alleine dorthin traue. Der Mentor schildert uns im Detail, wie dieser Besuch abgelaufen ist. An seiner Ausstrahlung ist zu erkennen, wie spannend und eindrücklich für ihn dieses Ereignis gewesen ist. Durch ihre gemeinsame Leidenschaft für Kunst entwickelte sich eine wahre Freundschaft. Wie Vater und Sohn verbringen sie Zeit zusammen und gehen gemeinsam in die Ferien. Jawad kennt inzwischen viele schöne Ecken der Schweiz. Er erlebt das Wandern in der Natur, wobei er sich von den schönsten Landschaften inspirieren lässt. Diese Freundschaft wächst nicht nur in die Tiefe, sondern auch in die Breite. Jawads bester Freund Jawid ist bereits Teil davon. Oft nimmt er an deren Ausflügen und Aktivitäten teil. Die Bereitschaft, eigene Normen auf den Kopf zu stellen, zeigt sich bei der nächsten Begegnung. Klopfenstein überrascht uns aufs Neue, als er erzählt, wie der erste Kontakt mit Majed zustande kam. Majed erhielt von der Freiwilligenkoordinatorin die Telefonnummer unseres Gastes, da ein persönliches Treffen zu dritt während des Lockdown nicht möglich war. Majed rief Klopfenstein direkt an und vereinbarte den ersten Termin. Dienstag um 22 Uhr? Ja, wir haben richtig verstanden! «Er kam am Dienstagabend und blieb bis Mitternacht, um zu lernen.» Auch Klop­fen­stein fragte sich, weshalb zu dieser späten Stunde. Majed erklärte ihm, dass er mitten in der Fastenzeit (Ramadan) stehe, die es ihm nicht erlaube, vor dem Sonnenuntergang zu essen und zu trinken. Nach der Mahlzeit bei neuen Kräften, war die Lernbereitschaft wieder hergestellt. Majeds Zukunftspläne sehen vor, eine medizinische Laufbahn einzuschlagen. Der Wissensdurst von Majed weckte in unserem Mentor im gleichen Masse Enthusiasmus wie auch die Motivation zu helfen, ganz unabhängig von der Uhrzeit.
Eyob aus Eritrea ist erst vor Kurzem in Klopfensteins Leben getreten. Diese Geschichte muss noch geschrieben werden. Einige Mentoratsbeziehungen sind gescheitert oder wurden aufgelöst. Doch das Engagement ist noch lange nicht zu Ende. Abschliessend fragen wir ihn, woher die ganze Energie stamme. Die Antwort kommt postwendend. «Man erhält mehr zurück, als man gibt.» Und Wael fügt hinzu: «Herr Klop­fen­stein ist ein grossartiger Mann.»

Nachhaltiges Engagement
Beeindruckt folgten wir den Ausführungen von Hansueli Klopfenstein. Seine inspirierende Offenheit, seine Anpassungsfähigkeit und seine von Herzen kommende Lust, «Gutes zu tun» sind einige seiner Geheimnisse für sein vielfältiges, menschenfreundliches Engagement. Mit seinem Humor und seiner Flexibilität baut er Brücken zwischen Kulturen. Bescheiden streicht er nicht heraus, was er gibt, sondern in erster Linie den grossen Gewinn für sich selbst. Hansueli Klopfenstein hat gut verstanden, dass der Integrationsprozess keine Einbahnstrasse ist.

 

 

Helfen – ohne institutionelle Grenzen

 

Hansueli Klopfensteins Engagement vereint alle Facetten der Freiwilligenarbeit. Viele Vereine und Organisationen können ihren Auftrag nur dank der geschenkten Zeit und dem Fachwissen von Freiwilligen erfüllen. Auch Fachstellen wie Integres zählen auf das Wissen und Können vieler Freiwilliger. Klop­fen­steins Engagement zeigt sich auch im institutionalisierten Begleiten von Einzelpersonen. Als Mentor hilft er, Herausforderungen im Alltag zu bewältigen. Sein Helfen kennt jedoch keine institutionellen Grenzen, wenn er spontan Menschen auf Entdeckungsreisen in der Schweiz mitnimmt. Helfen im Kleinen und Grossen! Im Kanton Schaffhausen koordinieren verschiedene Stellen Freiwilligeneinsätze oder vermitteln direkt zwischen Personen, die Unterstützung suchen beziehungsweise anbieten.

Benevol Schaffhausen: Fachstelle für Freiwilligenarbeit (www.benevol.ch → Schaffhausen)
Haus der Kulturen: Koordination von Freiwilligen im Asyl- und Flücht­lings­bereich (www.hausderkulturen-sh.ch)
Integres, Integrationsfachstelle Schaffhausen: Vermitteln von Freiwilligeneinsätzen im Migrationsbereich (www.integres.ch)
Rotes Kreuz Kanton Schaffhausen: freiwilliges Engagement Gesundheit und Soziales (www.srk-schaffhausen.ch)

 

 

 

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