Im Sommer dieses Jahres hat das Kantonsparlament dem Regierungsrat den Auftrag erteilt, einen Höherstau des Kraftwerkes Schaffhausen mit entsprechender Leistungssteigerung der Stromproduktion zu prüfen. Die nun vorliegenden Ergebnisse der Vorstudie über die Machbarkeit einer Stauerhöhung am Kraftwerk zeigen, dass ein Höherstau mit Einschränkungen grundsätzlich realisierbar ist.
Im Juni dieses Jahres wurde ein Postulat mit dem Ziel, den Wasserstand des Rheins oberhalb des Kraftwerks zu erhöhen, vom Kantonsrat einstimmig an den Regierungsrat überwiesen. Zum letzten Mal wurde 1968 ein Vorstoss in dieser Richtung gemacht. Mit der Flexibilisierung des Staupegels sollte die Energieproduktion des Kraftwerks erhöht werden. Dieser Vorstoss stiess damals auf wenig Unterstützung. Es wurde sogar eine Volksinitiative lanciert mit dem Ziel, den Status quo gesetzlich zu verankern. Die Initiative wurde gutgeheissen, und seither darf die Nutzung der Wasserkraft im Rhein nicht ausgeweitet werden. Das Wasserwirtschaftsgesetz von 1998 beschränkt die Nutzbarmachung der Wasserkraft des Rheins auf das heutige Mass. Doch seither hat sich vieles verändert. Insbesondere die Nuklearkatastrophe in Fukushima hat die Einsicht bestärkt, dass diese Art der Energie keine Zukunft hat. Bereits vor diesem Ereignis hat der Regierungsrat des Kantons Schaffhausen Abklärungen zu einem Ausstieg aus der Kernenergie vorgenommen. Ende August 2011 hat er dem Parlament seine Strategie mit den Massnahmen zum Ausstieg aus der Kernenergie unterbreitet. Der Weg führt u.a. über eine markante Steigerung der Stromproduktion im Kanton Schaffhausen. Dabei spielen natürlich auch die Wasserkraftwerke und deren Potentiale eine wichtige Rolle.
Vor diesem Hintergrund hat das Baudepartement des Kantons Schaffhausen eine Vorstudie über die Machbarkeit einer Stauerhöhung am Kraftwerk in Auftrag gegeben. Begleitet wurden diese Arbeiten von einer breit abgestützten Projektgruppe mit Vertretern aus den kantonalen und städtischen Fachstellen sowie der Umweltverbände Rheinaubund, WWF Schaffhausen und dem kantonalen Fischereiverband Schaffhausen. Die Studie hatte zum Ziel, die Machbarkeit einer Stauerhöhung um bis zu maximal 40 cm am Kraftwerk Schaffhausen zur Steigerung der Energieerzeugung zu untersuchen. Dabei wurden alle relevanten Aspekte, insbesondere technische, ökologische und wirtschaftliche betrachtet und soweit möglich bewertet.
Die vorliegende Studie basiert noch nicht auf einem konkreten Projekt. Ähnlich eines Pflichtenheftes für einen Umweltverträglichkeitsbericht wird für alle betroffenen Bereiche der aktuelle Kenntnisstand beschrieben und eine Einschätzung hinsichtlich der Relevanz vorgenommen. Bereiche, welche nach dem heutigen Kenntnisstand abschliessend beurteilt werden können, werden bezeichnet. Für die übrigen Bereiche werden Bedarf und Umfang für zusätzliche Untersuchungen aufgezeigt und der finanzielle Handlungsspielraum umrissen. Es wird eine grobe Einschätzung der Wirtschaftlichkeit vorgenommen. Die Studie definiert den Rahmen und die notwendigen Voraussetzungen, die gegeben sein müssen, damit ein solches Projekt umgesetzt werden kann.
Die nun vorliegenden Ergebnisse der Vorstudie über die Machbarkeit einer Stauerhöhung am Kraftwerk zeigen, dass ein Höherstau technisch grundsätzlich machbar ist. Die mögliche Produktionssteigerung beträgt bei ganzjährigem Höherstau um 40 cm ca. 8,35 GWh pro Jahr, was einer Produktionssteigerung gegenüber heute um knapp 5 % entspricht. Zur genaueren Einschätzung der Machbarkeit müssen aber eine Reihe von Aspekten vertieft untersucht werden und es gibt auch einige Faktoren, welche für die Realisierung einer Stauerhöhung kritisch sind:
- Steigender Grundwasserspiegel führt in tief liegenden Quartieren der Stadt Schaffhausen zu Problemen im Bereich der Fundamente und Keller von bestehenden Gebäuden. Die Kosten der notwendigen Massnahmen zum Schutz dieser Gebäude und Erhalt ihrer Gebrauchsfähigkeit könnten das Vorhaben in wirtschaftlicher Hinsicht gefährden.
- Als wichtigstes ökologisches Kriterium stellt sich die Beeinflussung des Naturschutzgebiets «Schaarenwies» heraus. Die dort vorhandenen und geschützten Vegetationsgesellschaften sind sehr stark vom Grundwasserspiegel und seinen Schwankungen geprägt. Eine Beeinträchtigung dieses Flachmoores von nationaler Bedeutung ist verfassungsrechtlich unzulässig. Detaillierte Untersuchungen müssen zeigen, ob und welche Lösungen möglich sind.
- Ein Höherstau führt schliesslich zu Veränderungen der Lebensbedingungen für Fische und weitere Tiere und Pflanzen. Diesen Veränderungen ist mit geeigneten Kompensationsmassnahmen zu begegnen.
Eine völlige Neukonzession für das Kraftwerk würde viele Mechanismen mit ungewissem Ausgang in Bewegung setzen, welche die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens in Frage stellen könnten. Nach heutiger Rechtslage sind die Konzessionsgebühren im Kanton Schaffhausen verhältnismässig hoch, sodass die Stauerhöhung gar unwirtschaftlich werden könnte. Alle anderen untersuchten Faktoren wie zum Beispiel Schifffahrt, Hochwassersicherheit, Siedlungsentwässerung, Grundwassernutzung stellen kaum Hindernisse dar. Sie sind technisch lösbar oder durch Ersatzmassnahmen kompensierbar. Sie könnten jedoch die Stauerhöhung in der Summe der entstehenden Kosten wirtschaftlich beeinflussen.
In einem nächsten Schritt werden Fachstellen, politische Parteien, Gemeinden, Verbände, usw. sowie die Anrainerkantone und Land Baden-Württemberg Gelegenheit haben, zur Vorstudie Stellung zu nehmen. Nach der Auswertung soll dem Kantonsrat noch vor den nächsten Sommerferien eine entsprechende Vorlage unterbreitet werden. Der Kantonsrat kann aber letztlich «nur» die Grundlagen ebnen. Die Realisierung eines Höherstaus setzt zwingend ein entsprechendes Konzessionsgesuch der Kraftwerk Schaffhausen AG bei den schweizerischen Bundesbehörden und den deutschen Behörden voraus. Diese entscheiden letztlich abschliessend über die Durchführbarkeit eines solchen Vorhabens.