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Mit sechs Tugenden zum Anlageerfolg

28.02.2020

Viele Anlegerinnen und Anleger entscheiden aus dem Bauch heraus. Sie verlieren das Ganze aus dem Blick und reagieren, mal euphorisch, mal fast panisch, auf äussere Einflüsse. Dadurch können Sie das Potenzial ihres Portfolios nicht ausschöpfen. BILD ISTOCK, TEXT CHRISTIAN HEFTI (Der Senior Anlage­ spezialist beschäftigt sich seit dreissig Jahren mit Wirtschaft und Börse. Bei der Schaffhauser Kantonalbank ist Christian Hefti als Investmentspezialist für die Anlagepolitik der Bank mitverantwortlich.)

Gratulation! Sie setzten sich mit Finanzanlagen auseinander. Ob Sie über viel Erfahrung verfügen oder erste Anlageschritte unternehmen – im heutigen Niedrigzinsumfeld kommen Sie am Thema Anlegen kaum mehr vorbei.

Geld selber anzulegen scheint auf den ersten Blick gar nicht so schwierig zu sein. Sie stellen sich einen Strauss aus Aktien, Obligationen und Alternativen, wie Gold und Immobilien, zusammen und freuen sich im Idealfall an Ihrem Depot. Dies ist aber anspruchsvoller als es klingt.

In der Folge wollen wir auf sechs «Tugenden» eingehen. Diese besitzen sowohl für Börsenneulinge als auch für alte Hasen Gültigkeit. Einen garantierten Anlageerfolg gibt es nie – aber die Chancen auf Erfolg lassen sich mit ein paar Kniffen deutlich erhöhen.

1. Nicht von der Stange bedienen
Anlegerinnen und Anleger wenden in der Regel viel Zeit für die Kaufund Verkaufsentscheide in ihrem Depot auf. Das macht Sinn, wenn sie sich über ihre Ziele im Klaren sind und den richtigen Teil ihres Vermögens verwalten. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass Anleger oft unterinvestiert sind und einen zu kleinen Teil ihres verfügbaren Vermögens einsetzen. Damit verpassen sie Chancen – egal, wie gut sie ihr Depot verwalten. Genauso wichtig ist die Erkenntnis, dass in verschiedene Anlageklassen investiert werden sollte. So wird zum Beispiel oft behauptet, mit Obligationen lasse sich im aktuellen Tiefzinsumfeld kein Geld verdienen. Das ist in dieser Absolutheit nicht korrekt. Selbst Obligationen in Schweizer Franken gewannen im vergangenen Jahr rund drei Prozent an Wert. Gleichzeitig hätten sie dazu beitragen können, das Risiko in Ihrem Depot zu beschränken.

Zentral ist: Jeder sollte sich seiner finanziellen Gesamtsituation bewusst sein. So sollten Sie wissen, in welchem Zeitraum Sie über wie viel Kapital verfügen und welche Mittel Sie wann benötigen. Ihre Risikofähigkeit (wie viel Risiko Sie sich leisten können und wollen) und Ihre Risikobereitschaft (wie viel Risiko Sie tragen wollen) werden so in Einklang gebracht. Das mag etwas technisch klingen, ist aber von entscheidender Bedeutung. Jede seriöse Bank bietet Ihnen diese Dienstleistung gerne an – meist sogar kostenlos!

2. Auf Diversifikation achten
In Ihrem Garten achten Sie als Gärtnerin oder Gärtner genau darauf, Farbe, Grösse und den Blütezeitpunkt der Pflanzen aufeinander abzustimmen. Um nichts zu verpassen, konsultieren Sie Fachbücher und befragen vielleicht Spezialisten oder Freunde. Das ist Diversifikation. Interessanterweise wird dem Diversifikationsaspekt bei der Vermögensanlage oft zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Man kennt und hält eine Handvoll Aktien und Obligationen. Oder besser gesagt, man meint sie zu kennen. Die Folge ist häufig eine zu starke Konzentration von Vermögen in einzelnen Branchen oder Ländern. Die breitere Streuung – zum Beispiel mittels Anlagefonds – klingt vielleicht weniger spektakulär als das «Stock picking», macht aber sehr viel mehr Sinn. Immer wieder zeigt sich, dass das Resultat von schlecht diversifizierten Depots ernüchternd ausfällt, wenn es um das Verhältnis von erzieltem Erfolg und eingegangenem Risiko geht. Mit dem Resultat, dass die Risikoparameter regelmässig verletzt werden.
Die Wissenschaft setzt sich seit Jahrzehnten mit der Portfolio­Theorie auseinander, und wir wissen heute relativ genau, wie eine gut diversifizierte Vermögensstruktur aussehen sollte. Unsere Erfahrung aus der Praxis bestätigt, dass mit einer geeigneten Streuung über verschiedene Anlageklassen und Regionen hinweg sehr gute Anlageresultate erzielt werden können.

3. Emotionen aussen vor lassen
Nach dem fulminanten Börsenjahr 2019 glauben viele Anlegerinnen und Anleger, jetzt dränge sich eine Korrektur auf. Sie verzichten deshalb darauf, frische Mittel im Sinne ihrer Strategie anzulegen oder steigen sogar aus. Die Wahrscheinlichkeit den optimalen Ausund Wiedereinstiegspunkt zu treffen, ist aber sehr gering. Das Verhaltensmuster, das sich hier zeigt, nennt sich «Kontrollillusion». Im Glauben cleverer zu sein als der Markt, werden potenzielle Entwicklungen antizipiert. Aber wieso sollte der Markt sich nicht weiter positiv entwickeln? Die Statistiken zeigen, dass in den letzten dreissig Jahren an der Schweizer Börse in vier von fünf Jahren auf ein hervorragendes Börsenjahr ein weiteres Jahr mit steigenden Kursen folgte. Entscheidungen sollten auf jeden Fall nicht mit Blick auf die Vergangenheit, sondern auf die Zukunft gefällt werden. Wichtiger ist, was von einer Aktie oder einem Segment erwartet werden kann, und es empfiehlt sich eine nüchterne Analyse.

4. Konsequent bleiben
Stellen Sie sich vor: Nach dem Einkauf in der Stadt finden Sie neben Ihrem geparkten Auto einen Geldschein. Nachdem Sie die Note aufgehoben haben, sehen Sie einen Busszettel unter dem Scheibenwischer. Welches Ereignis löst wohl ein intensiveres Gefühl bei Ihnen aus? Was wir intuitiv begriffen haben, bestätigt uns die Wissenschaft: Wir ärgern uns deutlich stärker über einen Verlust, als uns ein Gewinn Freude bereitet. Je nach Forschungsposition kann der Faktor bei zehn liegen. Diese asymmetrische Wahrnehmung von Chance und Risiko wirkt sich auf verschiedene Art aus: Zum Beispiel gewichten wir die Wahrscheinlichkeit eines negativen Ereignisses stärker, als es rational betrachtet nötig wäre. Dadurch werden Chancen oft verpasst. Oder Gewinne werden zu rasch realisiert. Verlustpositionen werden hingegen mitgetragen – häufig mit dem Ziel den noch nicht realisierten Verlust durch Zukäufe zu reduzieren. Dabei macht es durchaus Sinn, eine Anlage unter dem Einstandskurs zu verkaufen und in einen Titel mit mehr Potenzial zu investieren. Die zu schluckende Kröte ist das Eingeständnis an sich selbst, eine Fehlentscheidung gefällt zu haben. Die konsequente Orientierung an Kurszielen – nach oben wie unten – schafft hier wirkungsvoll Abhilfe.

5. Geduldig sein
Die Vermögensanlage erfordert, wie in den vorgängigen Beispielen gezeigt, viel Disziplin. Dazu gehört auch die nötige Geduld. Angesichts stark gestiegener, aber auch gefallener Kurse werfen viele Anleger ihre Tugenden vorschnell über Bord. Um ein Jahr mit schwacher Performance zu kompensieren, wird das Risiko hochgefahren. Oder ein weiteres schwaches Jahr wird befürchtet und die Positionen noch weiter reduziert. So wird der Wiedereinstieg zum richtigen Zeitpunkt fast unmöglich. Viele Anleger haben genau so auf die Aktienkurskorrektur im Dezember 2018 reagiert. Sie warten bis heute noch auf einen günstigen Zeitpunkt, ihre Positionen wiederaufzubauen. Auch der umgekehrte Fall lässt sich beobachten: Nach einem guten Aktienjahr herrscht Euphorie und die Aktienquote wird erhöht. Das ist nicht zwingend falsch, der Entscheid sollte aber nicht aus dem Bauch heraus, sondern auf der Grundlage der Anlagestrategie gefällt werden.
Eine realistische Einschätzung der unter gegebenem Risikoappetit zu erzielenden Rendite hilft, keine vorschnellen Entscheidungen zu fällen. Auch sollten Sie die Portfolio­Betrachtung endgültig von der Kalenderjahroptik lösen.

6. Das Ganze im Blick behalten
Wann haben Sie zuletzt ein Puzzle gelegt?
Bei vielen Erwachsenen ist dies lange her. Dabei zeigt dieses Spiel sehr schön, dass man gut daran tut, das Ganze im Blick zu behalten. Viele Puzzler fangen damit an, einen Rahmen zu legen, dann werden offensichtlich gut zusammenpassende Einzelteile im Innern zusammengefügt. Übertragen auf das Anlagegeschäft bedeutet dies, dass Positionen im Portfolio auf keinen Fall einzeln angeschaut werden sollten. Zu überlegen, was eine Nachrichtenmeldung für diesen oder jenen Titel bedeutet, bringt nicht viel. Die Entscheidung, zu kaufen oder zu verkaufen, sollte immer mit Blick auf die Gesamtheit des Portfolios gefällt werden, um dessen Diversifikationseigenschaften nicht zu verändern. Die obig beschriebene Verlustaversion verstärkt aber unsere selektive Wahrnehmung. Deshalb: Behalten Sie bei jeder Aufstockung oder Reduktion Ihres Portfolios und beim Eingehen einer neuen Position das Ganze im Auge. Seien Sie ehrlich zu sich selbst Viele Anlegerinnen und Anleger haben ein intuitives Gespür für die Verwaltung ihres Vermögens entwickelt. Doch wir sind alles nur Menschen. Selbstüberschätzung, die Angst vor Verlusten, selektive Wahrnehmung und Ungeduld machen uns oftmals einen Strich durch die Rechnung, wenn eigentlich sachliche und rationale Entscheidungen gefällt werden sollten. Dadurch gehen Chancen verloren und Potenziale werden nicht ausgeschöpft.

Das selbstverwaltete Depot ist nur eine von mehreren Alternativen. In der heutigen, stark arbeitsteiligen Gesellschaft lässt sich auch die Verwaltung von Vermögen delegieren. Zusammen mit Ihrer Bank analysieren Sie Ihre persönliche Lebenssituation und Ihre Bedürfnisse. Davon ausgehend wird eine Anlagestrategie entwickelt, die ihrer Risikobereitschaft und ihren Zielvorstellungen entspricht. Wichtig ist, dass Sie sich mit dem eingeschlagenen Weg identifizieren können und Ihr Institut Ihnen Sicherheit

 

Die 6 Tugenden auf dem Weg zum Anlageerfolg in Kurzform

Nicht von der Stange bedienen:
Die Frage wie das eigene Geld am besten angelegt werden sollte, kann nur individuell beantwortet werden. Nur eine auf die persönliche Situation zugeschnittene Strategie gibt Sicherheit und führt zum Erfolg.

Auf Diversifikation achten:
Die Redewendung, nicht alle Eier in denselben Korb zu legen, mag abgedroschen klingen. Im Kern ist sie aber extrem relevant. Wer ungenügend breit streut, geht unnötige Risiken ein, ohne dafür entschädigt zu werden.

Emotionen aussen vor lassen:
Gerade in Anlagefragen gilt es, einen kühlen Kopf zu bewahren. Selbstüberschätzung, Angst vor Verlusten und falsche Euphorie können Fehlentscheidungen nach sich ziehen, die den Anlageerfolg negativ beeinflussen.

Konsequent bleiben:
Die Verhaltensforschung weiss es bereits seit Langem: Verluste schme zen uns mehr, als uns Gewinne freuen. Rückschläge sollten nicht überbewertet und durch übereilten Aktionismus kaschiert werden.

Geduldig sein:
Der Anlageerfolg lässt sich nicht künstlich beschleunigen. Angesichts enttäuschender Anlageperformance die Strategie über Bord zu werfen und zusätzliche Risiken einzugehen, zahlt sich selten aus.

Das Ganze im Blick behalten:
Der Kunstmaler arbeitet am Detail, behält aber immer den Gesamt­ überblick. Erfolgreiche Anlegerinnen und Anleger achten auf die Interaktion einzelner Positionen und denken an die Diversifikationseffekte.
 

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